Jeder Mensch möchte ein „gutes Leben“ haben. Für sich und für seine Lieben. Der Glaube an „das Gute“ ist ein essentieller Antrieb der Menschen. Darum ist derjenige, welcher „das Gute“ auf seiner Seite hat, von seinen Mitmenschen anerkannt. Noch mehr, er erfährt die Unterstützung seiner Mitbürger für sein Tun und findet Kraft selbst wieder „Gutes zu tun.“ Was liegt also näher, dass ich mich als Bauer auch auf die Suche nach „dem Guten“ in meinem Leben und in meiner Arbeit mache.
Bio-Landwirtschaft hat das Gute auf seiner Seite
Diese öffentliche Meinung ist nicht schlagartig entstanden. Die Bio-Landwirtschaft und die Bio-Bauern haben von Beginn an Ihre „guten Ziele“ in der Kommunikation herausgestellt. Beispiele sind Naturschutz, Gesundheit, Tierschutz usw.. Diese „allgemeinen guten Ziele“ sind inzwischen gesellschaftlicher Konsens. Insofern ist es logisch, dass man „gut ankommt“, wenn man sich mit diesen guten Zielen solidarisiert. Oder anders herum: wer sich gegen Naturschutz stellt, der bekommt wenig Zustimmung von seinen Mitbürgern.
Und genau das passiert seit Jahren im öffentlichen Diskurs mit der Landwirtschaft. Egal welche Themen, ob nun Nitrat, Insektensterben, Biodiversität, Tierwohl oder Pflanzenschutz etc.: die Biofraktion punktet mit ihren guten Zielen, während die konventionelle Landwirtschaft die Ziele und Zwänge der Betriebswirtschaft (billiger produzieren, Weltmarkt usw.) in den Vordergrund stellt. Das Argument der Zwänge führt automatisch in den Kreislauf von Rechtfertigung und lässt die konventionelle Landwirtschaft als Abhängige der Agrarbranche erkennen. So isoliert sich die konventionelle Landwirtschaft am Randbereich der Gesellschaft mit abnehmender Anerkennnung der Leistungen durch die Gesellschaft. Diese mangelnde Anerkennung und Wertschätzung löst Frustration unter den konventionellen Landwirten aus. Eine negative Spirale aus Ablehnung und Schuldzuweisungen setzt sich in Gang, die geradewegs in die Resignation der Benachteiligten und Unverstandenen führt.
Es wäre doch tatsächlich mal etwas Neues, wenn die Konventionellen, mit ihren Verbänden und Organisationen, auch mal derartig gute Ziele, z.B. der Bäuerlichkeit für sich reklamieren würden:
- Generation der Verantwortung
- Jetzt handeln in der Klimakrise
- Nachhaltigkeit marktfähig machen
- Ernährung ist mehr als satt zu werden
- Starke Wertschöpfungspartnerschaften im Markt für die Region
- Für artenreichen Lebensraum in der bäuerlichen Kulturlandschaft
- Für gesunde und nährstoffreiche Lebensmittel
Die Liste ist keineswegs vollständig. Es gibt noch von viel mehr „gute Ziele“, die man als Landwirt anstreben kann.
Es geht mit diesen Zielen zuerst nicht um inhaltliche Fachdiskussionen, sondern darum, auch als konventioneller Landwirt mit den anderen Dialog-Teilnehmer auf Augenhöhe anzukommen. Erst danach kann man die fachlichen Argumente einbringen, dass Nachhaltigkeit auch oder gerade mit intensiver konventioneller Landwirtschaft erreicht werden kann. Stellt sich der Landwirt aber gleich zu Beginn auf den Standpunkt, dass dieses Ziel der Nachhaltigkeit mit ihm nicht geht, wird er als jemand wahrgenommen der dieses gute Ziel gar nicht will.
Dieses Kommunikations-Muster lässt sich bei den Bauernverbänden beliebig erkennen. Als erstes wird das Thema (oder Problem) zurückgewiesen. Dann folgt das Argument „wir sind ja dazu gezwungen, können also nichts dafür, können also auch nichts ändern“. Zeitgleich kommt aber doch der Hinweis, man würde vielleicht doch etwas ändern können, wenn es denn bezahlt würde. (Dazwischen hat jetzt noch die Verbraucherschelte Platz, der will ja „eh nur billig“) Und ganz zum Schluß folgt der Ruf nach dem Staat, der das Ungerechte regeln sollte!
Wenn ich mir das obige Muster ansehe, dann wundert es mich nicht, wenn am Ende von unseren Mitbürgern „das Gute“ nicht mehr auf der Seite der konventionellen Landwirtschaft vermutet wird.
Sicherlich ist auch der Wertewandel der Wohlstandsgesellschaft an dieser Entwicklung beteiligt. Denn die einstmals guten Werte der konventionellen Landwirtschaft (Wachstum, Fortschritt, Versorgungssicherheit usw.) haben sich gewandelt. Doch das Lamentieren darüber hilft nichts. Wenn die Gesellschaft den Naturschutz höher wertet als die hochproduktive Agrarproduktion mit Pflanzenschutzmitteln, was nützt es dann in den Kampf gegen die mehrheitlich anerkannten Naturschützer zu ziehen? Der vielgescholtene LEH spürt solchen geänderten Werten sogar nach um daraus Chancen zu machen. Also wäre es doch mal den Gedanken wert, sich als konventioneller Landwirt zu fragen, ob so ein Thema wie Naturschutz nicht zum eigenen Thema gemacht werden könnte. Das ist gar nicht so abwegig, wie es manchem jetzt vorkommen mag. Ich erinnere mich an eine Zitat von Ignaz Kiechle, konservativer (und konventioneller) Landwirtschaftsminister von 1983 bis 1993 bei einer Bauernversammlung in Petersthal bei Kempten. Er sagte:
„Billige Lebensmittel kann man von überall her importieren. Aber unsere wertvolle Natur und Landschaft kann man nicht importieren!“
Wie wäre die Entwicklung der letzten Jahrzehnte wohl gelaufen, wenn die konventionelle Landwirtschaft solche Impulse angenommen hätte und den Naturschutz glaubhaft in ihre Ziele aufgenommen hätte? Also verantwortungsbewusst das Thema zu ihrem eigenen Thema gemacht hätte. Die Grünen, die NGO’s und die „bösen Medien“ hätte es wohl viel schwerer gehabt die konventionelle Landwirtschaft an den Pranger zu stellen. Doch es ist noch nicht zu spät, auch heute noch mit einem Wertewandel der konventionellen Landwirtschaft anzufangen.
Was ich mit meiner provokanten These erreichen möchte, ist, dass konventionelle Landwirte endlich auch das Gute ihrer anerkennenswerten Arbeit in den Vordergrund stellen mögen. Bei bäuerlichen Familienbetrieben wird doch jeden Tag sehr viel Gutes getan. Fangt bitte an Euch Gedanken zu machen, wie man sich positiv in den Wertewandel der Gesellschaft einbringen könnte. Dazu gehört aber auch, sich aus der weit verbreiteten Opferrolle zu befreien. Weil jammern, klagen und benennen von Schuldigen führt langfristig in die Resignation und raubt einem selbst die Kraft zum Guten hin zu Gestalten.